Einteilige keramikimplantate

Eine Longitudinalstudie über zwei Jahre Beobachtungsdauer.

Indizes: Zirkoniumdioxid, einteilige Implantate, Sofortbelastung, Knochenverlust

Einleitung: Das größte Risiko für einteilige Keramikimplantate besteht während ihrer transgingivalen Einheilung. Belastungen des suprakrestalen Implantatanteils können sich in dieser Phase nachteilig auf die Osseointegration auswirken. Material und Methode: In zwei Praxen wurden 23 Patienten insgesamt 51 Z-Look3 Evo Implantate (Z-Systems, CH-Oensingen) inseriert und während der gesamten Liegezeit anhand klinischer und röntgenologischer Erfolgsparameter bewertet. Dabei wurde dem Risiko der transgingivalen Einheilung entsprechend den Herstellervorgaben durch Sicherstellung eines guten knöchernen Implantatlagers und Verwendung von Implantatschutzmaßnahmen Rechnung getragen. Ergebnisse: Nach einer mittleren Liegezeit von ca. 2,5 Jahren, in der die Implantate im Durchschnitt ca. 2 Jahre unter prothetischer Belastung standen, waren alle Implantate in situ und klinisch und röntgenologisch unauffällig. Der durchschnittliche krestale Knochenverlust (kKv) betrug 0,63 mm und korrelierte signifikant mit der Unterschreitung der biologischen Breite beim Versenken der Implantate. Fazit: Mit den verwendeten einteiligen Zirkoniumdioxidimplantaten ließen sich unter Praxisbedingungen ausnahmslos erfolgreiche prothetische Lösungen realisieren. Um das Risiko während der transgingivalen Einheilung zu reduzieren, empfehlen die Autoren eine Primärstabilität von mindestens 35 Ncm und sichere Implantatschutzmaßnahmen.

Einleitung

Seit ca. 10 Jahren werden einteilige Keramikimplantate aus Zirkoniumdioxid in größeren Stückzahlen bei Patienten eingesetzt1. Neben dem Vorteil der Metallfreiheit besteht vor allem durch die guten ästhetischen Ergebnisse Interesse an dem alternativen Implantatmaterial. Bei sehr dünnen periimplantären Weichgeweben oder infolge von Gingivaretrak tionen können bei der Verwendung von Titanimplantaten dunkle Verfärbungen an den Weichgeweben auftreten oder graue Implantat anteile sichtbar werden (Abb. 1). Keramikimplantate oder Abutments aus Zirkoniumdioxid haben hier bedingt durch ihre Farbe ästhetische Vorteile.

Die Anzahl klinischer Studien zu Keramikimplantaten ist verglichen mit Implantaten aus Titan bislang noch eher gering. Vor allem klinische Langzeitstudien fehlen. Meist schließen die Arbeiten mit dem Hinweis, dass man aufgrund der noch reduzierten Datenlage vorsichtig, aber in der Sache dennoch optimistisch bezüglich der Zukunft von Implantaten aus Keramik sei, vor allem in ästhetisch relevanten Zonen.

Bis September 2013 wurden in 13 veröffentlichten klinischen Studien über insgesamt 1.716 einteilige Keramikimplantate berichtet (Tab. 1). Die über alle Studien gemittelte In-situ-Rate liegt bei 93 %.

In einer Auswertung aller klinischen Arbeiten anlässlich einer Poster-Präsentation während der EAOTagung 2009 in Monaco wurden die Misserfolge aus allen Studien einer vergleichenden Betrachtung zugeführt. Die Autoren aller bis dato erschienenen Arbeiten wurden angeschrieben und die genaueren Umstände der Misserfolge in Form eines Fragebogens erfasst. Ziel war es, die entscheidenden Risikofaktoren für einteilige Zirkoniumdioxidimplantate zu sichten. Es stellte sich heraus, dass der Einheilphase eine für den Gesamterfolg der Implantate übergeordnete Rolle zukommt. In diesem Zeitfenster ereigneten sich nahezu alle Misserfolge. Ein instabiles knöchernes Implantatlager und ein ungenügender Schutz der supragingivalen Implantatstrukturen vor Kaubelastungen sowie Zungen- und Wangendruck waren die häufigsten Befunde, die einen Miss erfolg begleiteten. Sie verhinderten eine störungsfreie respektive belastungsfreie Osseointegration. Eine störungsfreie transgingivale Einheilung wurde als Schlüssel für den Erfolg einteiliger Keramikimplantate empfohlen.

Viele Autoren, die sich mit der Knochenanlagerung an Implantatoberflächen beschäftigt haben, betonen die Bedeutung einer störungsfreien Einheilung, bei der die Ruhigstellung der Kontaktfläche zwischen Implantat und Knochen erreicht werden muss. Kommt es zu Bewegungen des enossalen Implantatanteils, führt dies zu einer Störung der Knochenneubildungsprozesse. Auch die nach 2009 veröffentlichten klinischen Studien zeigen, dass sich niedrigere In-situ-Quoten (< 95 %) bei einteiligen Keramikimplantaten nur in den Studien einstellten, in denen die Implantate während der Einheilung belastet wurden. In der Regel geschah dies durch eine implantatgestützte, provisorische Sofortversorgung. Zwar wurden direkte okklusale Kontakte zu den Antagonisten meist vermieden, dennoch waren die Implantate durch Zungen- und Wangendruck sowie während der Nahrungszerkleinerung erheblichen Kräften ausgesetzt.

Lediglich in den neueren Arbeiten von Kohal, Payer und Borgonovo konnten gute bis sehr gute In-situ-Raten erzielt werden, obwohl die Implantate während der Einheilphase einer Sofortbelastung ausgesetzt waren.

Die Sofortbelastung wird dennoch selbst bei Titanimplantaten bislang als optionale Möglichkeit der provisorischen Versorgung in ausgewählten Fällen gesehen und nicht als generelle Standardbehandlung empfohlen. Dies gilt aufgrund der fehlenden Studien ganz besonders für einteilige Zirkoniumdioxidimplantate.

Auf einen weiteren wichtigen Zusammenhang weisen Gahlert et al. hin. In ihrer Untersuchung ereigneten sich dreizehn Implantatfrakturen innerhalb der Gewindegänge. Diese waren auf die Verwendung von durchmesserreduzierten Implantaten (< 4 mm) oder Bruxismus zurück zu führen.

Fragestellung

Die Phase der transgingivalen Einheilung ist das zentrale Risiko für einteilige Keramikimplantate. Es soll geklärt werden, ob sich durch das Erreichen einer guten Primärstabilität der Implantate mit einem Eindrehmoment von mindestens 35 Ncm und dem gleichzeitigen Vermeiden von Fehlbelastungen während der Einheilphase, eine hohe In-situ-Rate erreichen lässt. Darüber hinaus sollen die klinischen Ergebnisse nach den Erfolgskriterien von Albrektsson und Zarb bzw. Smith und Zarb sowie nach Buser et al. bewertet werden.

Material und Methode

Implantation

Zwischen April 2009 und Januar 2012 wurden in 2 zahnmedizinischen Zentren bei 23 Patienten insgesamt 51 Z-Look3 Evo Implantate des Herstellers Z-Systems inseriert (Abb. 2).

Alle Patienten über 18 Jahre waren zur Studie zugelassen, wenn folgende Risiko-Kriterien ausgeschlossen werden konnten:

  • Raucher > 10 Zigaretten/Tag
  • Patienten mit einer aktiven Parodontitis
  • Patienten mit suboptimalen Knochenverhältnissen in der Implantatregion (hier wurde 6 Monate vor der Implantation zunächst augmentiert)
  • Unterschreitung einer Primärstabilität von 35 Ncm
  • Unzuverlässige Patienten
  • Tumorpatienten, die sich in einer Strahlen- oder Chemotherapie befanden
  • Patienten mit nicht eingestellten Allgemeinerkrankungen (Stoffwechselerkrankungen, Herz- Kreislauf-Erkrankungen, Bluterkrankungen, etc.)

Ein einheitliches Operationsprotokoll wurde verabredet, bei dem eine ausreichende Primärstabilität (Eindrehmoment mind. 35 Ncm) und ein effektiver Implantatschutz oberste Priorität hatten. Außerdem waren alle Patienten während der Behandlung im Prophylaxe-Recall. Bei zu geringem Knochenangebot oder zu minderwertigem Knochen wurde im zeitlichen Abstand von mindestens einem halben Jahr das Implantatbett augmentiert, um während der Implantation eine gute Primärstabilität zu ermöglichen. Das Implantatlager wurde hierbei mit autologen Knochenblöcken, alloplastischem Knochenersatzmaterial, durch Bone-Spreading oder Sinuslift optimiert.

Die Positionierung der Implantate im Knochen erfolgte mithilfe einer chirurgischen Implantat-Positionierungsschablone. Dabei war das Ziel für die horizontale Platzierung, wenn möglich die Mindestabstände zur bukkalen Knochenwand (1,5–2 mm) sowie zu den benachbarten Zähnen (1,5–2 mm) und Implantaten (3 mm) einzuhalten, um einem Verlust wichtiger Knochenlamellen im Rahmen der natürlichen Resorptionsvorgänge nach einer Implantation vorzubeugen (Abb. 3).

Der Hersteller empfiehlt die Implantate mit einem vertikalen Abstand von 2 bis 2,5 mm zur Implantatschulter in den Knochen zu versenken, um die biologische Breite einzuhalten, die bei Unterschreitung zu erhöhtem postoperativem (kKv) führen kann (Abb. 4).

Direkt nach der Insertion des Implantats erfolgte die Eingliederung von Schutzschienen oder Flexiplastprovisorien, um die einteiligen Keramikimplantate während der transgingivalen Einheilung vor jeglichen Belastungen im Rahmen der Nahrungszerkleinerung bzw. durch Zungen- oder Wangendruck zu schützen. Mit einer Fitchecker-Probe konnte sichergestellt werden, dass die Implantate keinerlei Kontakt zum Implantatschutz hatten (Abb. 5). Der Implantathersteller empfiehlt Mindesteinheilzeiten von 3 Monaten für Unterkiefer- und 6 Monate für Oberkiefer-Implantate.

Prothetische Versorgung

Obwohl einteilige Implantate transgingival – also offen – einheilen, war es in der Regel erforderlich, die Implantatschulter nach Einheilung elektrochirurgisch frei zu legen, da sich ein Weichgewebeüberschuss gebildet hatte (Abb. 6). Während der Abformung konnte so die Implantatschulter problemlos mithilfe von Retraktionsfäden dargestellt werden. Im Anschluss wurden die Einzelzahnlücken, größere Schaltlücken oder auch Freiendsituationen mit vollkeramischen Einzelkronen definitiv versorgt (Abb. 7 und 8).

Methoden zur Beurteilung der Implantationsergebnisse

Beurteilung des klinischen Erfolgs

Bei allen Kontrollterminen wurde der klinische Erfolg nach Albrektsson et al., Smith und Zarb, sowie Buser et al. anhand folgender Parameter beurteilt:

  • Prüfung der Implantatbeweglichkeit der unverblockten Implantate
  • Klopfschalltest
  • Ausschluss einer periimplantären radiologischen Transluzenz
  • Ausschluss von periimplantären Weichgewebeinfekten
  • Befragung nach subjektiven Beschwerden (Schmerzen, Fremdkörpergefühl, Dysästhesien)
  • Die Implantate mussten für die Versorgung mit einer Suprakonstruktion geeignet sein

Krestale Knochenverlust-Bestimmung

Um die knöcherne Einheilung und den periimplantären krestalen Knochenverlust (kKv) zu dokumentieren, wurden zum Zeitpunkt der Implantation, nach Einheilung, prothetischer Versorgung und bei den Recalls Röntgenaufnahmen hergestellt. Dies erfolgte in Parallel- oder Halbwinkeltechnik mit Rinn-Halter oder bei mehreren Implantaten in unterschiedlichen Quadranten durch ein OPG. Da alle Röntgenaufnahmen in digitaler Form vorlagen, konnte der periimplantäre (kKv) mithilfe einer Mess-Software (MB-Ruler 5.2 für Windows 7) bei sehr starker Vergrößerung am PC bestimmt werden. Mithilfe bekannter Implantatabmessungen kann jede Vermessung eines Röntgenbildes kalibriert werden.

Besonders gut lässt sich die Anzahl der Windungen auszählen, deren Abstand je nach Implantattyp 0,6 mm (3,6-er und 4,0-er Implantate) oder 0,9 mm (5,0-er Implantate) beträgt. Der Abstand der maximalen Anzahl gut sichtbarer Implantatwindungen wurde mit einer Messlinie markiert (blau). Diese Distanz entsprach dem Produkt aus der Anzahl der Windungen minus eins, mal dem oben genannten Abstand zwischen 2 Windungen in Millimetern. Mit der so ermittelten Länge wurde jede Messung initial kalibriert. Die mesialen und distalen Messungen wurden dabei jeweils separat kalibriert, um projektionsbedingte Bildverzerrungen auszugleichen (Abb. 9 und 10).

Nach Eingabe der bei der Kalibrierung errechneten Distanz in die Software, konnte mit einer zweiten Messlinie (rot) direkt die gewünschte Strecke vom apikalen Implantatende bis zum initialen Implantat- Knochen-Kontakt bestimmt und in Millimetern abgelesen werden. Alle Aufnahmen eines Implantats wurden im September 2013 von einem unabhängigen, dritten Zahnarzt nacheinander ausgemessen.

Von den Messwerten am Tag der jeweiligen Röntgenkontrolle wurde die am Tag der Implantation gefundene Knochenhöhe subtrahiert. Ergebnisse mit negativem Vorzeichen zeigten folglich Knochenresorption, während an positiven Werten eine Zunahme des knöchernen Attachments abzulesen war.

Knochenhöhe Tx1,x2,… – Knochenhöhe T0 = kKv Tx1,x2,…
T0 = Implantationstag;
Tx1,x2,… = Alle späteren Röntgenkontrolltermine

Ergebnisse

Allgemeine Ergebnisse

23 Probanden erhielten in der Studie insgesamt 51 Implantate. Das Durchschnittsalter betrug ca. 49 Jahre (Tab. 2). Die Implantat-Regionen verteilten sich wie in Tabelle 3 dargestellt. Hierbei fällt auf, dass überwiegend im Seitenzahnbereich implantiert wurde. Die Verteilung der Implantatdurchmesser und -längen ist in Tabelle 4 aufgeführt.

Als Einheilphase wurde die Zeit von der Implantation bis zur Eingliederung der prothetischen Versorgung definiert (Tab. 5). Auch wenn die Implantate in der Regel schon nach 3 Monaten gut osseointegriert waren, betrug die durchschnittliche Einheilzeit laut Definition ein halbes Jahr. Die mittlere Liegezeit lag bei ca. 2,5 Jahren und die durchschnittliche Liegezeit nach prothetischer Versorgung entsprechend bei ca. 2 Jahren (Abb. 11). Um eine übersichtliche grafische Darstellung der Liegezeiten zu ermöglichen, wurde die Verteilung in Halbjahresschritten angegeben. Von den 51 Implantaten war eines zum Zeitpunkt der Ergebnisauswertung erst 5,6 Monate in situ und wird deshalb von der Abbildung 11 nicht erfasst.

Bei fünf Implantaten wurde im Vorfeld durch einen Sinuslift oder autologen Knochenblock das Implantatlager optimiert.

Klinische Ergebnisse

Von den 51 einteiligen Zirkoniumdioxidimplantaten waren nach einer durchschnittlichen Liegezeit von ca. 2,5 Jahren alle in situ und zeigten sich bei einer ansprechenden Ästhetik klinisch unauffällig. Das entspricht einer 100%igen In-situ-Rate.

Wenn man die Erfolgskriterien von Buser et al. und Albrektsson & Zarb bzw. Smith und Zarb zur Bewertung des Gesamterfolgs heranzieht (siehe „Beurteilung des klinischen Erfolgs“, S. 93), war auch diesbezüglich keines der Implantate röntgenologisch oder klinisch auffällig. Alle Implantate waren beim letzten Recall fest und unbeweglich und zeigten keinerlei periimplantären Infektionen noch verursachten sie bei den Patienten Missempfindungen. Außerdem wurden alle Implantate prothetisch versorgt und stehen durchschnittlich seit ca. 2 Jahren unter prothetischer Belastung. Lediglich an 3 Vollkeramikkronen war es zu geringfügigen Absplitterungen gekommen, die allerdings geglättet oder mithilfe der Säure-Ätz-Technik wieder repariert werden konnten. Diese Ergebnisse entsprechen einem 100%igem klinischen Erfolg.

Röntgenologische Ergebnisse

Es konnten an keinem der inserierten Implantate zirkuläre Radiotransluszenzen gefunden werden. Tabelle 6 zeigt die kVK-Werte bei der jeweils letzten radiologischen Untersuchung. Die durchschnittliche Liegezeit betrug bei dieser letzten Röntgenkontrolle ca. 2 Jahre und das mit einer Standardabweichung von 8 Monaten. Die durchschnittliche Knochenresorption lag in beiden Zentren unter einem Millimeter und das bei einer Standardabweichung von einem Millimeter. Die Ergebnisse streuen im Wesentlichen zwischen 0 und 2 mm (Abb. 12). Allerdings zeigte sich bei 20 % der Implantate auch ein Knochenzuwachs (Bone-Gain).

Um die zum Teil sehr gegenläufigen krestalen Knochenverlustraten zu klären, wurde die Abhängigkeit zwischen Knochenverlust und dem Ausmaß der bei der Implantation unterschrittenen biologischen Breite untersucht. Der vom Hersteller empfohlene Abstand zur Implantatschulter (Sollwert 2 bis 2,5 mm) berücksichtigt die biologische Breite. Anhand des am Röntgenbild vom Tag der Implantation gemessenen Abstands zwischen apikalem Implantatende und dem zervikalen Knochenrand (Istwert) konnte berechnet werden, ob und in welchem Umfang die biologische Breite unterschritten wurde.

Sollwert Versenktiefe – Istwert Versenktiefe = Abweichung von der biologischen Breite

Hatte das Ergebnis ein negatives Vorzeichen, wurde die biologische Breite unterschritten. Abbildung 13 zeigt die mesialen und distalen Messwerte des krestalen Knochenverlusts (rot) und der Abweichung von der biologischen Breite (blau). Auffallend sind die zum Teil sehr parallelen Verläufe der beiden Kurven. Je stärker die biologischen Breite unterschritten wurde, umso größer der postoperative Knochenverlust. Wurde das Implantat dagegen bis oder nicht ganz bis zur empfohlenen Versenktiefe eingeschraubt, reduzierten sich die Knochenresorptionen oder kehrten sich gar ins Positive um.

Bei einer Spearman Korrelationsanalyse mit der Software SPSS 13.0 wird dieser schon grafisch sichtbare Zusammenhang bestätigt: Es liegt eine signifikante Korrelation zwischen dem gemessenen krestalen Knochenverlust einerseits und der Abweichung der Versenktiefe von der biologischen Breite andererseits vor (Tab. 7).

Diskussion

Allgemein

Die eingangs formulierte Frage, ob sich bei einteiligen Keramikimplantaten durch das Sicherstellen einer guten Primärstabilität von mindestens 35 Ncm Eindrehwiderstand und das gleichzeitig penible Fernhalten von Implantatbelastungen während der Einheilphase, gute Erfolgsquoten erreichen lassen, konnte durch eine 100%ige In-situ-Rate und eine 100%ige Erfolgsquote nach 2,5 Jahren durchschnittlicher Liegezeit bestätigt werden.

Allerdings müssen die zum Teil ungleichen zeitlichen Intervalle zwischen den Röntgenaufnahmen der einzelnen Implantate kritisch gesehen werden, da streng genommen keine Beurteilung nach dem röntgenologischen Erfolgskriterium von Albrektsson et al. möglich ist. Die beiden Autoren hatten einen maximalen kKv nach dem ersten Jahr von 0,2 mm pro Jahr gefordert. Da in der vorliegenden Studie nicht bei allen Implantaten exakt nach einem Jahr die krestale Knochenverlustrate bestimmt wurde, ließen sich die anschließenden Knochenresorptionen nicht isoliert vom initialen kKv bewerten. Außerdem muss festgehalten werden, dass es sich bei allen Einzelzahnaufnahmen nicht um standardisierte Röntgenaufnahmen handelte.

Krestaler Knochenverlust (kKv)

Um dennoch eine allgemeine Aussage über postoperative Knochenverluste zu ermöglichen, wurde (kKv) für alle Implantate bezüglich des längsten röntgenologisch erfassten Zeitraums ermittelt. Der kKv betrug über eine mittlere Liegezeit von 22,9 Monaten durchschnittlich 0,63 mm.

Zieht man die abgestuften und etwas strengeren Erfolgskriterien der Pisa Consensus Conference von 2007 heran, darf der kKv für die „Bestnote“ (success/ optimum health) nicht über 2 mm liegen. Abbildung 13 zeigt, dass bei 76 % der Implantate der kKv zwischen 0 und 2 mm liegt. Allerdings wurde bei 2 Implantaten auch ein Knochenverlust über 2 mm gefunden und bei einem Implantat sogar über 3 mm. Dies bedeutet, dass in der vorliegenden Studie 94% der Implantate die Höchstbewertung erhalten und drei (6%) die Einstufung „satisfactory survival“.

Borgonovo et al. ermitteln 2013 bei 29 einteiligen Keramikimplantaten einen durchschnittlichen kKv nach 6 Monaten von 1,4 mm. Nach weiteren 6 Monaten war der kKv im Durchschnitt um 0,2 mm angestiegen. Cannizzaro et al. fanden nach 6 Monaten nur bei einem von 26 Implantaten einen kKv über 1,5 mm. Auch Kohal et al. ermittelten in ihren Studien 2012 und 2013 den kKv. In der ersten Arbeit fanden sie bei 65 untersuchten Einzelimplantaten einen durchschnittlichen Knochenverlust von 1,31 mm nach einem Jahr. Allerdings lag der Wert bei 34 % der Implantate über 2 mm. In ihrer zweiten Arbeit untersuchten sie den Knochenverlust bei 56 einteiligen Keramikimplantaten, die in größere Lücken gesetzt und mit einer dreigliedrigen Brücke versorgt worden waren. Überraschend war hier ein relativ hoher mittlerer Knochenverlust von 1,95 mm nach einem Jahr. 40 % der Implantate lagen in dieser Studie über 2 mm und knapp 30 % gar über 3 mm. Dieser Knochenverlust ist deutlich höher als in anderen klinischen Studien und konnte von den Autoren nicht erklärt werden.

In der vorliegenden Arbeit fällt auf, dass es nicht nur zu Knochenresorptionen kam, sondern bei neun Implantaten (17 %) auch ein Knochenzuwachs (Bone-Gain) diagnostiziert werden konnte. Um diesen sehr unterschiedlichen Entwicklungen der periimplantären Knochensituation Rechnung zu tragen, wurden die Ergebnisse des kKv in Beziehung zu der Versenktiefe gesetzt. Es zeigte sich eine signifikante Korrelation. Der kKv war umso größer, je weiter die biologische Breite unterschritten wurde. Bei Beachtung der vom Hersteller empfohlenen Versenktiefe, war der kKv minimal oder es stellte sich ein Knochenzuwachs (Bone-Gain) ein.

Dieser Zusammenhang ist nicht neu und wurde von Gargiulo et al. bereits 1961 an natürlichen Zähnen beschrieben. Berglundh et al. fanden heraus, dass sich bei Implantaten ebenfalls eine biologische Breite von ca. 2 mm durch Knochenresorption einstellt, wenn der Abstand zum natürlichen Knochen durch prothetische Maßnahmen unterschritten wird.

Trotz dieser nicht neuen Erkenntnisse, war in der vorliegenden Studie auffällig, wie vorhersagbar sich das periimplantäre Hartgewebe bei dem untersuchten Implantatsystem verhält. Anders ausgedrückt: Postoperative Knochenresorptionen entstehen, aber ihr Ausmaß lässt sich unmittelbar über die vertikale Versenktiefe des Implantats steuern. Um den postoperativen kKv zu minimieren, sollte deshalb bei der Implantation die empfohlene Versenktiefe von 2 bis 2,5 mm zwischen Implantatschulter und dem Knochenrand eingehalten werden.

Implantatschutz

In vielen klinischen Arbeiten wird darauf hingewiesen, dass Misserfolge bei einteiligen Keramikimplantaten auf eine zu frühe Belastung der Implantate in der Einheilphase zurück zu führen waren. Dennoch gehen andere Autoren mittlerweile dazu über, die Implantate direkt nach der Implantation mit Provisorien zu versorgen, die zwar keine Artikulationskontakte aufweisen, aber dennoch die Implantate Belastungen aussetzen15,16,18,19. Auch bei diesem Vorgehen wird von hohen Erfolgsquoten berichtet.

Dieser scheinbare Widerspruch kann anhand der vorliegenden Arbeit nicht aufgeklärt werden. Hierzu wäre ein randomisiertes Studiendesign mit direkter Vergleichsmöglichkeit zwischen den beiden Verfahren erforderlich. Cannizzaro et al. fanden im direkten Vergleich von sofortbelasteten Keramikimplantaten und einer Kontrollgruppe, in der die provisorischen Suprakonstruktionen außer Kontakt geschliffen wurden, keinen signifikanten Unterschied. Nur Sofortimplantate schnitten signifikant schlechter ab als die Implantate, die in abgeheilte Extraktionsregionen inseriert worden waren.

Sofortbelastung ist selbst bei Titanimplantaten eine eher optionale Therapiemöglichkeit, die nur für ausgewählte Fälle empfohlen wird. Bei einteiligen Keramikimplantaten fehlen bislang die Studien, die bezüglich einer Sofortbelastung eindeutige Aussagen zulassen.

Die Autoren der vorliegenden Arbeit empfehlen für die tägliche Praxis, alle verfügbaren Sicherheitsmaßnahmen für die transgingival einheilenden Keramikimplantate auszuschöpfen, bis Studien eindeutig zeigen können, dass solche Maßnahmen überflüssig sind.

Die Anwendung moderner Kunststofftechniken ermöglicht viele Varianten von ästhetisch anspruchsvollen Schutzapparaturen mit gutem Tragekomfort für den Patienten.

Fazit

Mit den verwendeten einteiligen Keramikimplantaten ließen sich ohne Ausnahme klinisch erfolgreiche Lösungen realisieren. Die Autoren empfehlen zur Reduktion des Risikos in der transgingivalen Einheilphase ein gutes präoperatives knöchernes Implantatlager, das eine Primärstabilität über 30 Ncm ermöglicht sowie die anamnestische Abklärung und therapeutische Gewährleistung optimaler Implantatschutzmaßnahmen während der Einheilung.

Es zeigte sich außerdem, dass der postoperative kKv bei dem verwendeten Implantatsystem durch die Einhaltung der vom Hersteller empfohlenen Versenktiefe minimiert werden kann.

  1. Das sogenannte „ästhetische Trapez“ definiert die Mindeststärken der das Implantat begrenzenden Knochenwände.
  2. Empfohlene Versenktiefe des Herstellers.
  3. Mögliche Implantatschutzapparaturen: a) Flexiplastklammerprovisorium mit Fitchecker-Probe, b) Flexiplastklammerprovisorium in situ und c) einfache Schutzschiene.
  4. Implantat Regio 11. Situation 3,5 Jahre nach Implantation und 4 Jahre nach Augmentation mit Knochenblock.
  5. Implantate in Regio 25, 27, 36. Situation 3,5 und 3 Jahre nach Implantation.
  6. Implantat 46 nach der Implantation 2009 (die blaue Linie diente der Kalibrierung, während die eigentliche Messung mit der roten Linie durchgeführt wurde).
  7. Implantat 46 beim Recall 2013 (die blaue Linie diente der Kalibrierung, während die eigentliche Messung mit der roten Linie durchgeführt wurde).

Produktliste

Produkt Produktname Firma
DVT Orthophos 3D XG Dentsply Sirona
Extraktor Benex Zepf Dental
Flow Komposit Tetric flow Ivoclar Vivadent
Implantat NobelActive Nobel Biocare
Photofunktonalisierung Implantat TheraBeam SuperOsseo Ushio
Prototypenkrone SE Nexco Paste Ivoclar Vivadent
Zentrifuge A-PRF Duo Zentrifuge Mectron
Einteilige Keramikimplantate. Eine Longitudinalstudie über zwei Jahre Beobachtungsdauer.

Januar 2015

Jochen Mellinghoff
Dr. Claudio Cacaci
Florian Detsch