Einsatz der Fotofunktionalisierung bei der Implantation in der Praxis

Ein Begriff mit dem die meisten nichts verbinden, Fotofunktionalisierung, aber seit 2014 einer der Forschungsschwerpunkte von Dr. Claudio Cacaci.

Die Implantatkörper, sowohl Zahnimplantate wie auch alle anderen orthopädischen Implantate (Hüft-, oder Knieprothesen) werden heute aus Titan bzw. Titanlegierungen (hauptsächlich in der Orthopädie werden Titanlegierungen verwendet) hergestellt.

In der Zahnmedizin verwenden wir im ICC ausschließlich Implantate aus reinem Titan. Diese haben eine bessere Materialverträglichkeit gezeigt und das ist uns als Behandler sehr wichtig.

Ausserdem verwenden wir nur Implantate von Firmen, die von der Organisation Clean Implant Foundation als „rein und sauber“ zertifiziert sind.

Was bedeutet Fotofunktionalisierung?

Die Implantatkörper werden von den Implantatherstellern hergestellt und steril vom Hersteller verpackt. Das reine Titan besitzt hervorragende Eigenschaften, die Zielzellen des Heilungsprozesses anziehen und auf seiner Oberfläche verankern. Diese Zellen sollen sich darauf  wohl fühlen und sich darauf konzentrieren um den Knochenheilungsprozess anzustoßen, damit Ihr Implantat am Ende des Heilungsprozesses eine ausreichende Festigkeit im Knochen erreicht.

Das Implantat besitzt diese biologisch anziehenden Eigenschaften für die Zielzellen der Heilung jedoch nur einige Stunden, denn die Titanoberfläche altert sehr schnell. Innerhalb von 48 Stunden hat sich die Zellanlagerungsrate schon mehr als halbiert! Der sog. Alterungsprozess der Oberfläche ist ein physiko-chemischer Vorgang, bei dem sich Carbongruppen auf der Oberfläche ablagern. Dieser Prozess kann kaum verhindert werden und tritt bei allen Implantaten auf, auch auf Zirkonimplantaten (Keramikimplantaten).

Die Ablagerung der Carbongruppen auf der Oberfläche verhindert die Anlagerung der Zielzellen auf der Oberfläche. Die Oberfläche verliert dadurch ihre günstigen, die Heilung beschleunigende Eigenschaften, und wird für die Zielzellen eher abstoßend, wie ein Regenmantel. 

Fotofunktionalisierung - Implantat unbehandelt

Abb. 1: unbehandelte Implantatoberfläche, direkt aus der Verpackung. Die Flüssigkeit perlt ab, die Oberfläche ist füssigkeitsabweisend (hydrophob)

Sehen kann man die Ablagerungen auf der Oberfläche nicht, aber die Effekte sind verblüffend, wenn man versucht die Implantate mit sterilem Kochsalz oder mit Körperflüssigkeiten wie Blut oder Blutplasma zu benetzen.

Die Flüssigkeiten perlen einfach ab und können auf Grund der Ablagerungen die Oberfläche nicht benetzen! Die Carbongruppen sorgen sogar dafür, dass sich die elektrostatische Ladung auf der Oberfläche verkehrt! Somit können die Zielzellen die Oberfläche der Implantate gar nicht erreichen, sie werden eher abgestoßen. 

Dies ist mit unter der Grund, warum Implantate nur auf ca. 45–55% ihrer Oberfläche mit Knochenzellen besetzt sind (Knochen-Implantat-Contact / BIC). Der Rest ist mit Bindegewebszellen oder mit keinerlei Zellen besetzt.

Wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema kamen ab 2009 auf, die dieses Problem beleuchtet und Lösungsvorschläge erarbeitet haben. So hat man herausgefunden, dass eine Beleuchtung mit UV-C Strahlung (Ultraviolettes Licht) oder mit Plasmagas diesen Alterungsprozess auf der Titanoberfläche rückgängig machen kann und die hervorragenden Eigenschaften des Titans sofort wieder hergestellt werden können. 

Man spricht von der Fotofunktionalisierung.

Forschungsgruppe an der Universität Hamburg Eppendorf

Dr. Claudio Cacaci hat mit der Forschungsgruppe an der Universität Hamburg Eppendorf um Professor Dr. Dr. Ralf Smeets neueste Untersuchungen angestoßen um beide Verfahren in ihrer Effektivität gegeneinander abzuwägen. 

Die Ergebnisse wurden im Labor durchgeführt und an Zell- bzw. Tierversuchen bestätigt. 

„Die Fotofunktionalisierung eröffnet neue Welten in den Heilungsprozessen auf der Implantatoberfläche. So erreichen wir mit einfachsten Methoden eine fast 100%ige Belagerung der Implantatoberfläche mit den entsprechenden Zielzellen, die BIC-Rate steigt auf über 95%. Das ist ein Gamechanger in der Implantologie und vor allem es ist so einfach“ wird Dr. Cacaci zitiert. 

Beide Verfahren, die Plasmabehandlung oder die Beleuchtung der Implantate mit UV-C Licht, sind beide sehr effektiv, mit leichten Vorteilen bei der Plasmabehandlung. Wie kann man diese Forschungsergebnisse in die tägliche Praxis umsetzen?

Die Fotofunktionalisierung ist apparatetechnisch sehr einfach in der Praxis umzusetzen. In erster Linie haben unsere Forschungsergebnisse gezeigt, dass die Behandlung der Implantatkörper mit Plasmagas unmittelbar vor dem Einsetzen des Implantats geringfügig bessere Resultate erzielt haben. Apparatetechnisch ist der Einsatz auch einfacher und effizienter als die Beleuchtung mit UV-C Strahlung.

Zum Einsatz kommt ein spezielles Gerät der deutschen Firma DIENER Electronics aus Ebhausen.

Diener DENTAPLAS

Das Implantat kommt unmittelbar vor dem Einsatz in den Knochen kontaktlos im Originalhalter in die Kammer und wird 4 Minuten mit Plasmagas umströmt. Damit ist der Prozess abgeschlossen, die Implantate haben danach die optimalen Einheileigenschaften wieder erreicht.

Biologischer Sinuslift

Abb 2.: Linke Seite nach Fotofunctionalisierung mit UV-C Strahlung, rechte Seite ohne Bestrahlung; die behandelte Implantatseite ist superhydrophil, rechtsseitig perlt die Flüssigkeit ab (hydrophob).

Der Plasmabestrahlungsprozess findet also unmittelbar vor der Implantateinsetzung bei uns in der Praxis statt. Das Implantat wird entsprechend der anatomischen Situation und den mechanischen Erfordernissen während der OP ausgewählt und unmittelbar vor dem Einsatz im Knochen im Gerät bestrahlt.

Diese Bestrahlung findet im Übrigen auch mit allen prothetischen Teilen in der Implantatprothetik statt, die aus dem zahntechnischen Labor kommen. Denn diese Teile sind nicht steril.

Untersuchungen haben gezeigt, dass verunreinigte Implantatteile nach der zahntechnischen Herstellung negative Einflüsse auf die knöcherne Verankerung der Implantate haben können.

Die Fotofunktionalisierung hat nebenbei noch den Effekt der Sterlisation der Oberflächen, so daß insbesondere zahntechnisch verunreinigte Bauteile mit der Plasmatechnologie (Abutments, Zahnersatz) von Verschmutzung abgereinigt und sterilisiert werden.

In unserer Praxis hat die Fotofunktionalisierung einen hohen Stellenwert. Jedes der eingesetzten Implantate oder Zahnersatzteile wird diesem Prozess seit 2014 unterzogen.

Einfluss der Fotofunktionalisierung auf die Praxis

Wie setzen wir dies in der eigenen Praxis um und haben diese Forschungsergebnisse einen Einfluss auf unsere Prozesse in der Praxis?

Die Fotofunktionalisierung hat seit 2014 Einzug in unsere Praxisabläufe genommen. Eigene Untersuchungen hinsichtlich der Implantatstabilität nach der Einheilung der Implantatkörper haben gezeigt, dass diese sehr viel stärker mit dem Knochen verbunden sind, als nicht behandelte Implantate. Dies kann man sich einfach über die erheblich höheren Knochen-Implantat-Kontakte (BIC) erklären. Nahezu 100% der Implantatoberfläche sind mit Knochenzellen bedeckt und daher sind die Stabilitätswerte sehr viel höher.

Ein weiterer Effekt ist, dass wir Implantat-dimensionen (insbesondere die Länge der Implantatkörper) heute deutlich reduzieren können. So haben wir höhere Sicherheit, wenn es um die Gefahr der Nervenschädigung im Unterkiefer geht oder wenn wir Knochenaufbauten im Oberkiefer (z.B. den Sinuslift)  vermeiden möchten. Die Stabilität der Implantatkörper im Knochen bleibt über die vielen Jahre erhalten.

Interessant werden diese Effekte insbesondere bei osteoporotischen Knochen oder bei Vitamin D Mangel, den wir Nordeuropäer ab 60 Jahren sowieso alle haben. Wissenschaftliche Studien hierzu sind in Vorbereitung.

Insgesamt kann man sagen, all diese Effekte haben zu einem deutlich minimalinvasiveren Vorgehen in der Implantatchirurgie bei uns geführt. Die Sicherheit und Langlebigkeit der Implantatversorgungen ist dadurch sogar angestiegen. Die Fotofunktionalisierung der Implantate und der zahntechnischen Bauteile ist aus unserem Behandlungskonzept nicht mehr wegzudenken.

Fotofunktionalisierung Implantat teilbenetzt

Abb. 3a: Mit Plasma behandeltes Implantat; die Fibrinflüssigkeit wird von der Oberfläche angesaugt.

Fotofunktionalisierung Impantat voll benetzt

Abb. 3b: Voll benetztes Implantat nach Plasmabestrahlung; kurz vor dem Einsatz in den Knochen.

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